Königinnenzucht - Frühzucht

Jahr für Jahr beantworten wir vielen Imkern die immer gleiche Frage: Warum stehen Anfang Mai in der Königinnenzucht noch keine begatteten Königinnen zur Verfügung? Die Antwort darauf liegt im natürlichen Entwicklungszyklus der Honigbiene, der sich nicht beschleunigen lässt – weder durch Erfahrung noch durch Technik. Um die Zusammenhänge nachvollziehbar zu machen, lohnt sich ein Blick auf zwei zentrale Elemente im Begattungsprozess: die Entwicklung der Königin und die Paarungsreife der Drohnen.

Wenn eine Zuchtserie rechnerisch am 1. Mai beginnt, also an diesem Tag die Larven in Weiselbecher umgelarvt werden, beginnt für die spätere Königin eine festgelegte biologische Abfolge. Vom Umlarven bis zum Schlupf einer Königin vergehen in der Regel zwölf Tage. Die junge Königin schlüpft somit frühestens um den 13. Mai. Doch zu diesem Zeitpunkt ist sie weder begattungsbereit noch legereif. Nach dem Schlupf benötigt sie etwa fünf bis sieben Tage, um sich vollständig zu entwickeln, ihre Orientierung zu festigen und günstige Wetterbedingungen für den Begattungsflug abzuwarten. Erst zwischen dem 18. und 20. Mai kann die Königin voraussichtlich ihren Hochzeitsflug unternehmen.

Auch nach erfolgreicher Begattung dauert es noch einige Tage, bis die Königin mit der Eiablage beginnt. Dieser Prozess umfasst in der Regel weitere fünf bis sieben Tage. Damit beginnt die Eiablage frühestens Ende Mai – etwa zwischen dem 22. und 27. des Monats. Doch selbst ab diesem Zeitpunkt kann die Königin noch nicht als geprüft oder zur Abgabe geeignet betrachtet werden. Für eine verlässliche Aussage über die Qualität der Begattung ist es notwendig, dass sich ein geschlossenes Brutnest mit flächiger, regelmäßiger Struktur entwickelt. Dieser Zustand ist in der Regel erst nach etwa zwei weiteren Wochen erreicht. Damit ist frühestens ab dem 3. bis 11. Juni mit der Entnahme und Abgabe erster begatteter und kontrollierter Königinnen zu rechnen.

Auch auf der Drohnenseite sind gewisse biologische Zeitabläufe zu beachten. Damit ab Mitte Mai überhaupt genügend paarungsbereite Drohnen zur Verfügung stehen, müssen diese ebenfalls mit zeitlichem Vorlauf herangezogen werden. In der gezielten Zuchtpraxis wird dazu meist um den 1. April ein Drohnenrahmen in ein Volk gegeben. Nach etwa drei bis fünf Tagen ist dieser ausgebaut und von der Königin bestiftet. Anschließend benötigen die Drohnen 24 Tage bis zum Schlupf, was sie etwa ab dem 28. bis 30. April in die Lage versetzt, überhaupt das Licht der Welt zu erblicken. Doch auch sie sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht paarungsfähig. Erst nach einer weiteren Reifephase von rund zehn bis vierzehn Tagen – also frühestens ab dem 8. bis 13. Mai – sind die Drohnen in der Lage, an Drohnensammelplätzen aktiv an Begattungen teilzunehmen.

Fasst man beide Zeitlinien – die der Königin und die der Drohnen – zusammen, wird klar, warum eine Begattung vor Mitte Mai biologisch nicht möglich ist und warum frühestens ab Mitte Juni mit der Ausgabe sicher begatteter Königinnen begonnen werden kann. Insgesamt vergehen vom Umlarven der Königin am 1. Mai bis zur ersten zuverlässigen Kontrolle ihres Brutbildes etwa 39 bis 41 Tage. Das bedeutet: Vor Anfang Juni ist eine qualitätsgesicherte Abgabe nicht zu verantworten – weder aus züchterischer noch aus imkerlicher Sicht.

Diese Zeiträume sind nicht Ausdruck von Verzögerung oder Unflexibilität, sondern Ergebnis der natürlichen Entwicklungsschritte im Bienenvolk. Geduld, Planung und Verständnis für die biologischen Abläufe sind daher unverzichtbare Bestandteile einer erfolgreichen Königinnenzucht. Wer begattete Königinnen kaufen oder abgeben möchte, muss diese naturgegebenen Zeitfenster respektieren – im Sinne der Qualität und Nachhaltigkeit jeder Zuchtmaßnahme. Anfang Mai ist also schlichtweg noch zu früh.

Es heißt nicht umsonst: Frühzucht ist Mühzucht – dies ist gleichbedeutend mit einer hohen Ausfallwahrscheinlich allzu früh gezogener und abgegebener Königinnen. Spielt das Wetter nicht mit, kann dies signifikanten Einfluss auf die Termine habe. Gleichsam beuten gute Wetteraussichten, dass die Termine auch frühest möglich eingehalten werden können.

Aber Anfang Mai diesjährig begattete Königinnen aus Norddeutschland abzugeben, ist schlicht unmöglich.